Eine Bäckerei, die Sinn stiftet
Beim Bio-Bäcker Märkisches Landbrot in Berlin-Neukölln steht nicht der Profit im Mittelpunkt. „Das Brot ist der Chef – wir tun alles, damit es ihm gut geht“, beschreibt Geschäftsführer Joachim Weckmann den Management-Ansatz des Unternehmens.
Doch die Bäckerei hat natürlich mehr als nur das Brot im Blick. Das Berliner Unternehmen vertritt eine von hohen Werten getragene Unternehmensphilosophie, die sich nicht nur dem Produkt, sondern auch den Menschen in- und außerhalb des Betriebes verpflichtet fühlt.
Eines von vielen Beispielen für die hohe ethische Verpflichtung des Unternehmens ist ein zuliefernder Müller, der mit seiner Mühle bankrott zu gehen drohte. Märkisches Landbrot sprang kurzerhand ein. Die Bäckerei bot dem Müller ein Darlehen an, damit er die Privatinsolvenz umgehen – und stellte den Mann auch im eigenen Unternehmen ein, damit er sein Darlehen zurück zahlen konnte.
Ein anderes Beispiel: als ein anderer Biobäcker – eigentlich ein Konkurrent von Märkisches Landbrot – von seinen Banken keinen Kredit für einen neuen Ofen bekam, bot ihm das Neuköllner Unternehmen das benötigte Geld an. Und dies, obwohl Märkisches Landbrot nach jahrzehntelanger Aufbauarbeit selbst erst seit drei Jahren schuldenfrei ist.
Die eigenen Mitarbeiter merken spätestens mitternachts, dass sich ihr Unternehmen um sie sorgt. Geschäftsführer Weckmann erklärt, dass der Biorhythmus des Menschen zu diesem Zeitpunkt ein Tief durchlebt. Um das aufzufangen, stellt die Bäckerei ihren Mitarbeitern kostenlos Tee, Kaffee, Brot, Butter, Milch, Brot, Äpfel und Möhren zur Verfügung. Schließlich ist Ernährung das Kerngeschäft des Unternehmens.
Wenn Mitarbeiter gerne möchten, erhalten sie kostenlos die etwas merkwürdig aussehenden MBT-Schuhe. Laut Mitarbeitern machen diese Hilfsmittel das viele Stehen und Laufen im Betrieb tatsächlich angenehmer. Eine kleine, aber menschliche Geste.
Märkisches Landbrot strebt keine Profitmaximierung an. Die Gründer wollen gesunde Lebensmittel preiswert verfügbar machen. Das bedeutet aber in keinem Fall Dumpingstrategie – es es ist ein klar definiertes Firmenziel, dass die Mitarbeiter überdurchschnittlich gut bezahlt werden sollen. Seit vor einigen Jahren die Schuldenlast abgetragen worden ist, bezahlt das Unternehmen neben den vereinbarten Gehältern in einigen Jahren – abhängig von der Gesamtentwicklung – eine Bonuszahlung von bis zu 30.000 Euro, die proportional zu den Gehältern unter den Mitarbeitern ausgeschüttet wird.
Damit es nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch dem Brot gut geht, mahlen täglich ab 5 Uhr morgens traditionelle Osttiroler Steinmühlen Getreide aus der märkischen Region. Für den Verbraucher ist hochtransparent, woher die Zutaten des von ihm gekauften Brots kommen. Wer den Namen des Brots online eingibt, sieht sofort, von welchem Feld das verwendete Getreide stammt.
Das deutsche Lebensmittelgesetz erlaubt bis zu 100 technische Hilfsstoffe, die undeklariert dem Teig zugemischt werden dürfen. Geschäftsführer Weckmann ist damit gar nicht einverstanden: „In unserem Brot ist nur das zu finden, was auf dem Produktdatenblatt draufsteht“, erklärt er stolz. Generell ist dem Unternehmen hohe Transparenz wichtig. Bereits 2008 lieferten die Neuköllner als erste Bäckerei bundesweit ein CSR-Konzept ab. Und schon 1992 präsentierte es seine erste Ökobilanz. Auf der Webseite der Bäckerei gibt es heute eine Fülle von firmeninternen Details zu finden: von anonymisierten Krankentagen der Mitarbeiter über Preiskalkulationen, bis hin zu detaillierten Zutatenlisten für jedes verkaufte Produkt.
Die sichtbar gelebten Werte des Märkischen Landbrot motivierten Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky vor acht Jahren, das Unternehmen dabei zu unterstützen, die eigene Philosophie für andere sichtbar zu machen. Buschkowsky nahm etwas öffentliches Geld in die Hand und half Märkisches Landbrot, einen Besucherraum einzurichten. Inzwischen werden pro Tag bis zu drei Besuchergruppen durch die Backstube geführt. Im Jahr 2011 schauten sich insgesamt 7.000 Menschen den Betrieb an. Das sind 145 Gäste pro Mitarbeiter.
„Unsere Mitarbeiter erhalten durch das Besuchsprogramm eine Menge Beachtung und Anerkennung für Ihre Arbeit“, freut sich Joachim Weckmann, der für seine Verdienste in der Bio-Branche inzwischen das Bundesverdienstkreuz am Band verliehen bekommen hat. Eine überdurchschnittliche Verweildauer von 11 Jahren pro Mitarbeiter im Betrieb ist die Bestätigung, dass die Kultur beim Märkisches Landbrot nicht nur für Kunden und Zulieferer, sondern auch für die Angestellten sehr gut passt.
Selbst Menschen, die nicht unmittelbar mit dem Unternehmen verbunden sind, werden von den Neuköllnern bedacht. Mit seinen 45 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von gut sechs Millionen Euro unterstützt Märkisches Landbrot knapp 30 soziale Projekte. Dabei achtet das Unternehmen auf ein ausgewogenes Verhältnis von lokalen und internationalen Projekten – das Portfolio reicht von der Suppenküche im Kiez bis hin zur Unterstützung von Bäckereien im Himalaya.
Uns gefällt dieses Projekt, da es aufzeigt, welche Kraft Sinnhaftigkeit im unternehmerischen Umfeld für alle Beteiligten haben kann. Das bleibt nicht ohne Nutzen: sowohl die Fluktuationsrate als auch die Krankentagen liegen deutlich unter dem Branchendurchschnitt.
Webseite: www.landbrot.de