Götz W. Werner, Gründer

Die wichtigsten Kunden sind die Mitarbeiter.

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Manuela Franz

Es ist schön zu sehen, wie das Selbstvertrauen unserer Lehrlinge sichtbar wächst.

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Lehrling

Wir haben ein ganz anderes Gemeinschaftsgefühl, seitdem wir so ein Projekt auf die Beine gestellt haben.

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Viktoria Schwab

Auf jede Frage erhält man erstmal eine Gegenfrage – ich lerne dabei sehr, sehr viel über mich selbst.

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Die 1.500 Lehrlinge, die ihre Ausbildung in diesem Jahr bei dm-drogerie markt beginnen, müssen sich zuallererst daran gewöhnen, dass sie nicht als Auszubildende bezeichnet werden. Denn der Karlsruher Drogeriemarktfilialist geht bei seinem Ausbildungskonzept neue, ganz eigene Wege. Hier gibt es keine Auszubildenden, sondern Lernlinge.

Gründer Prof. Götz W. Werner ist ein Mann, der nicht zwischen Arbeitszeit und Freizeit unterscheidet. Für ihn ist alles Lebenszeit. Daher sieht er es als die Aufgabe von dm an, verantwortungsvoll mit dieser Lebenszeit der Mitarbeiter umzugehen. Der schnell wachsende Marktführer mit einem Umsatz von knapp 7 Milliarden Euro ist spürbar von einem besonderen Geist geprägt – man erkennt das bereits an der Art, wie junge Menschen bei dm behandelt werden.

Im Jahr 1985 hat die Drogeriemarkt-Kette begonnen, junge Menschen auszubilden. Einige Jahre auf herkömmliche Weise, doch zur Jahrtausendwende änderte sich der Fokus: Die Auszubildenden sollten ein deutlich höheres Maß an Selbstwirksamkeit erleben, weniger belehrt werden und eigenständiger lernen. So wurde aus dem Begriff Lehrling das Wort „Lernling“. Inzwischen haben bereits über 11.000 junge Menschen dieses neue Ausbildungskonzept erfahren.

„Ich habe das Gefühl, dass bei dm etwas gelebt wird, das jetzt bereits zeigt, wie sich der Charakter eines Unternehmens in der Gesellschaft zu verändern beginnt“, so lautet die Zwischenbilanz einer jungen Filialmitarbeiterin nach 18 Monaten. „dm wird auf eine gute Art Teil unseres Lebens“.

LIDA – LERNEN IN DER ARBEIT

„Sage es mir und ich werde es vergessen, zeige es mir und ich werde mich daran erinnern, lasse es mich tun und ich werde es verstehen“: Das ist die Idee hinter dem dm-Ausbildungsbestandteil LidA – Lernen in der Arbeit. Den Satz hat dm sich bei Konfuzius entliehen, das Konzept dazu ist hausgemacht.

In der Praxis sieht das so aus: Der Ausbilder überträgt dem Lehrling eine Aufgabe und lässt ihn – wenn es etwas Schwieriges ist – zuerst theoretisch erarbeiten, wie er die Aufgabe lösen würde. Dann reflektieren Ausbilder und Lehrling den möglichen Lösungsweg und im Anschluss beginnt der Lehrling mit der Umsetzung. Leichtere Aufgaben kann er ohne die anfängliche Reflexionsphase beginnen. Ansätze zur Lösungsfindung findet der Lehrling beispielsweise im firmeneigenen Intranet, in Mitarbeiter- oder Kundenzeitungen bzw. in verschiedensten Arbeitsmaterialien.
„Was passiert, wenn ich einen Fehler mache?“, ist eine oft gestellte Frage der Lehrlinge. „Das ist genau der Sinn von LidA“, antwortet Filialleiterin Ulrike Elm, die im Jahr 2000 das Konzept mitentwickelt hat. „Aus Fehlern lernt man“.

Wenn dem Lehrling kein Weg zur Lösung vorgegeben wird und er sich einen eigenen erarbeitet, setzt er sich mit seiner Arbeit intensiver auseinander. Die so entdeckten eigenen Lösungswege merkt sich der Lernende besser. Neurobiologisch lässt sich das heutzutage gut erklären: Findet unser Gehirn einen Weg, um ein Problem zu lösen, belohnt es sich selbst und schüttet sogenannte neuroplastische Botenstoffe aus. Diese sorgen dafür, dass sich die Netzwerke im Gehirn, die zur Problemlösung verwendet wurden, stabiler verbinden. Dadurch können diese gefestigten Netzwerke später immer wieder aktiviert und das alte damit verbundene Wissen schnell abgerufen werden.
„Auf jede Frage erhält man erstmal eine Gegenfrage – ich lerne dabei sehr, sehr viel über mich selbst“, erzählt Viktoria Schwab, die im Rahmen eines integrierten Studiums der Alanus Hochschule ihre Praxisphasen bei dm in der Filiale verbringt und das LidA-Prinzip am eigenen Leib erfährt. „Ich begreife jetzt erst, wie schwierig es für die Ausbilder sein muss, seit ich selbst auch die jüngeren Lehrlinge mit betreue. Man trägt ja einen Impuls in sich, den Lehrlingen helfen zu wollen und muss sich immer wieder zurücknehmen, um keine Lösungen vorzugeben, sondern sie eigene Wege finden zu lassen“.

Im Alltag muss es oft schnell gehen. Der Ausbilder braucht deshalb Disziplin und Geduld, um dem Lehrling nicht einfach zu zeigen, wie er seine Aufgabe lösen könnte. „Das schafft man nicht in allen Situationen – das ist ganz menschlich. Zudem braucht es viel Fingerspitzengefühl, Aufgaben zu stellen, die nicht zu einfach aber auch nicht zu schwer sind.“, reflektiert dm-Beraterin Aus- und Weiterbildung Manuela Franz, die sich um die Ausbilder von 45 Filialen kümmert. „Doch es ist schön zu sehen, wie das Selbstvertrauen sichtbar wächst, wenn ein Lehrling für ein Problem eine passende Lösung ganz allein erabeitet hat. Manchmal ist das sogar ein für den Lehrling passenderer Weg als der, den der Ausbilder gewählt hätte.“

Nach zweieinhalb Jahren Vorbereitung, in denen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stetig wächst, folgt das Gesellenstück der Drogistenausbildung: die Lernlingsfiliale, die 2001 eingeführt wurde. dm überlässt seinen Lehrlingenim dritten Lehrjahr für mehrere Wochen ganze Filialen. Alle weiteren Kollegen arbeiten während dieser Zeit in anderen dm-Märkten und machen dem Nachwuchs Platz. Auch hier gibt es – wie oft bei dm in der Ausbildung – viel Freiraum, selbst zu gestalten. Die Arbeit beginnt bereits mit der Frage: „Wer ist der Chef?“ Meist wird ein Rotationsprinzip vereinbart, damit in den rund vier Wochen, in denen der Markt den Lehrlingenübergeben wird, jeder mehrere Rollen übernimmt.

Deutschlandweit sind es jährlich bis zu 34 Filialen, die von Lehrlingenübernommen und geführt werden. Manchmal erkennt der Kunde dies an einem freundlichen Schild am Eingang, meist jedoch eher daran, dass er eine Menge neuer Gesichter in der Filiale sieht.

ABENTEUER KULTUR – CHANCE ZUR PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG

„Wir möchten nicht nur die Kompetenz unserer Kollegen fördern, sondern auch die Entwicklung von Persönlichkeiten ermöglichen“, erzählt Christian Harms, dm-Geschäftsführer im Unternehmensbereich Mitarbeiter.

Diese Entwicklung der Lehrlings-Persönlichkeiten werden auch durch Theaterworkshops gefördert. In den ersten beiden Lehrjahren nimmt jeder Lehrling an insgesamt zwei dieser Workshops teil.
Seit über einem Jahrzehnt engagiert dm bereits Regisseure, Schauspieler und weitere Theaterschaffende, um die Lehrlinge in diesem intensiven Prozess zu begleiten. Innerhalb von acht Wochen trifft sich eine Gruppe an insgesamt acht Tagen und bereitet sich auf den großen Auftritt vor. Die gesamte Arbeit ist dabei vollkommen ergebnisoffen, nur ein Ziel ist festgelegt: Am Ende stehen alle auf der Bühne. Im Publikum sitzen meist die Kollegen aus den Filialen, sowie Familie und Freunde.

Die Lehrlinge nehmen dabei alles selbst in die Hand. Bühnenbild, Kostüme und Inhalte des Theaterstücks werden miteinander erarbeitet. Manche Gruppen bedienen sich bei Klassikern wie Horváths „Glaube, Liebe, Hoffnung“, um sich dann nach einigen Workshop-Tagen zu fragen: „Was hat das eigentlich mit uns zu tun?“ Andere Gruppen beginnen sofort mit ausschließlich selbst erarbeiteten Themen und manch 20-Jähriger eröffnet das Stück mit einem selbstgeschriebenen Gedicht als Prolog.

Die Entwicklungen aller Beteiligten könnten unterschiedlicher nicht sein. „Die Lautesten machen manchmal die intensivsten inneren Prozesse durch und ruhigere, schüchterne Lehrlinge ergreifen teilweise auf den letzten Metern nochmal die Chance und übernehmen die Hauptrolle, wenn jemand krank wird“, erzählt Angelika Dietz, die als dm-„Patin“ das sogenannte Abenteuer Kultur begleitete.

Anders als im gewohnten Schulsystem sind die dm-Theaterworkshops bewertungsfreie Erfahrungsräume. „Das erzeugt bei vielen Lehrlingen erst einmal Stress, denn sie sind es gewohnt, für ihre Leistung ständig beurteilt zu werden. Gerade die, die hohe Ansprüche an sich selbst haben, müssen lernen, sich mehr zu vertrauen und den Druck zu reduzieren“, erklärt Angelika Dietz.

„Abenteuer Kultur hat mich selbstbewusster gemacht. Nicht nur beruflich, auch privat helfen mir die Theatererfahrungen“, erzählt eine angehende dm-Drogistin, die inzwischen beide Theaterworkshops erlebt hat. Viele Lehrlinge strotzen nach den Workshops vor Selbstbewusstsein. Wer es schafft, auf der Bühne mit lauter Stimme zu spielen, hat bereits so viele innere Hürden genommen, dass das Ansprechen eines Kunden im Laden viel einfacher fällt. „Wir lernen während dieser Zeit, einfach besser miteinander und letztlich auch mit den Kunden zu kommunizieren“, erzählt ein Teilnehmer aus Bonn. „Wir haben ein ganz anderes Gemeinschaftsgefühl, seitdem wir so ein Projekt auf die Beine gestellt haben“, ergänzt seine Kollegin aus einer Nürnberger Filiale.

„Mit einem klassischen Bildungscontrolling-Tool lässt sich nicht abbilden, was wir hier tun“, erzählt Beraterin Aus- und Weiterbildung Manuela Franz. „Bei vielen Lehrlingen sieht man erst im Laufe der Jahre die weitreichenden Auswirkungen der Theater-Workshops. Ich weiß, wovon ich spreche – schließlich habe ich selbst damals an diesem Abenteuer teilgenommen“.

Doch nicht nur in den Lehrlingen verändert sich etwas – auch die Kollegen aus den Filialen berichten, dass sie teilweise Tränen in den Augen haben, wenn sie ihre Lehrlinge auf der Bühne über sich hinauswachsen sehen. Die Kollegen sehen „ihre“ Lehrlinge nach der Rückkehr in die Filiale nicht nur mit anderen Augen – sie trauen ihnen auch viel mehr zu.

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DAMIT DER GUTE GEIST BLEIBT

Um die außergewöhnlichen Erfahrungen und die Errungenschaften der Lehrlinge auch in den Jahren nach der Ausbildung zu kultivieren, tut dm einiges. Als beispielsweise Gründer Prof. Götz W. Werner das operative Geschäft von dm im Jahr 2008 verließ, stellte sich für manche Mitarbeiter die Frage: „Was bleibt vom Geist im Unternehmen, wenn er geht?“ Kerstin Langer, die zu der Zeit in der Filialdisposition arbeitete und dadurch mit vielen Kollegen in Kontakt kam, spürte diese Frage auch bei anderen. „Wenn ich nichts tue, tut es auch kein anderer“, dachte sie sich und begann mit ihren Kollegen zu diskutieren, wie man den dm-Geist nachhaltig bewahren könne. „Unsere Produkte und Ladeneinrichtungen könnten unsere Mitbewerber kopieren. Doch was uns einzigartig macht, ist unsere innere Haltung, mit der wir hier arbeiten“, beschreibt sie ihr Verständnis vom Unternehmen.

Zudem wuchs dm stark – ein wünschenswerter Umstand, der auch bedeutete, dass viele neue Mitarbeiter hinzukamen, die den gewachsenen Unternehmensgeist noch nicht kannten und erst sukzessive erleben mussten. Durch das schnelle Wachstum erhöhte sich auch das Risiko, dass sich einst sehr persönliche Beziehungen zwischen den Mitarbeitern verändern, da Verantwortlichkeiten, Filialzahlen und somit die Anzahl der unmittelbaren Kollegen rapide stiegen.

Nach genügend interner Werbung für ihre Fragestellung „Wie erhalten wir den guten Geist?“ erhielt Kerstin Langer von vielen Seiten Unterstützung – beispielsweise auch von dm-Geschäftsführer Christian Harms. Harms denkt – im Gegensatz zu manchem Personaler in anderen Unternehmen – nicht nur in Systemen und Prozessen, sondern interessiert sich für Menschen. „Es ist ein Ziel von dm, einen Raum zu schaffen, um Lebensbiographien zu verwirklichen“, wird er begeistert von einer jungen Lernenden zitiert. So wurde der Arbeitskreis „dm-Geist“ im Jahr 2010 gegründet.

Über die Mitarbeiterzeitung, Betriebsversammlungen und das Intranet wurde ein erstes Bewusstsein geschaffen, dass die Kultur und der Geist des Unternehmens etwas sind, wofür es einen offiziellen Arbeitskreis gibt, bei dem sich jeder Mitarbeiter einbringen kann. Inzwischen wurden eintägige Foren als Möglichkeit vertiefender Arbeit ins Leben gerufen, die mehrfach pro Jahr an verschiedenen Orten stattfinden. Bei diesen Foren begegnen sich die Teilnehmer hierarchiefrei. Ein junger Auszubildender erinnert sich, dass er zu seiner Überraschung plötzlich neben einem Geschäftsführer des 44.000-Mitarbeiter-Unternehmens am Mittagstisch saß und sich auf Augenhöhe mit ihm unterhalten konnte. Die Veranstaltungen sind bewusst strukturfrei – man setzt auf die Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Teilnehmer.

Innerhalb dieses experimentellen Prozesses werden handfeste Dinge aus dem Alltag eingebracht und bearbeitet. Beispielsweise die `Freundlichkeit der Mitarbeiter` oder `Entscheidungsfindungen im Team`. Dinge, aus denen wiederum eigene kleine Initiativen entstehen können. So wurden im Anschluss an ein Forum `Freundlichkeits-Videos` gedreht und anschließend im Intranet veröffentlicht. Darin wurden Mitarbeiter im Unternehmen befragt, was ihnen dieses Thema bedeutet. „Dadurch konnten wir bei vielen wieder ein Bewusstsein für den freundlichen Umgang miteinander wecken“, erzählt die Mitarbeiterin aus dem Unternehmensbereich Marketing & Beschaffung, die dieses Thema in das Forum eingebracht hatte.

Genau diese kleinen Initiativen sind es, die entstehen sollen und durch den Arbeitskreis unterstützt werden. Damit Gedanken Einzelner von vielen aufgegriffen und innerhalb des Unternehmens getragen werden. „Wenn ein Baum stark wächst – so wie dm das gerade tut – dann kann man von außen sehr gut erkennen, wie sich die Äste entwickeln. Worauf wir jedoch in diesem Arbeitskreis achten müssen, ist das Gedeihen der Wurzeln“, beschreibt ein Auszubildender sein Verständnis des Arbeitskreises dm-Geist.

 

FIRMENFAKTEN

dm-drogerie markt wurde 1973 mit einem ersten Markt in Karlsruhe von Prof. Götz W. Werner gegründet. 1985 beginnt dm mit der Ausbildung von Lehrlingen. In den Jahren 2000/2001 wird das Ausbildungskonzept neu ausgerichtet. Das Bundesinstitut für Bildung zeichnet dm mit dem Weiterbildungs-Innovations-Preis 2003 aus. Im Jahr 2004 ist das Unternehmen der Hauptpreisträger des Initiativpreises Aus- und Weiterbildung, verliehen vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag, der Otto Wolff-Stiftung und der Wirtschaftswoche.

dm betreibt europaweit rund 2.700 Märkte und beschäftigt 44.000 Menschen. Im Geschäftsjahr 2011/2012 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von rund 6.9 Milliarden Euro. 5.1 Milliarden davon in Deutschland.


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