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ITdesign | Michael Botek

Michael Botek ist einer von zwei Geschäftsführern und einer von 18 Eigentümern des österreichischen Unternehmens ITdesign. Die Firma beschäftigt inzwischen 60 Mitarbeitende, doch bis auf die beiden Geschäftsführungspositionen sind alle anderen Führungsrollen nur temporär besetzt: Als die kleine Firma wuchs und Delegationsebenen notwendig wurden, entschieden sich die Österreicher, es anders zu machen, als sie es zuvor in den Konzernen erlebt hatten, in denen sie gearbeitet hatten. Die Probleme klassischer Management-Strukturen wollten sie bei sich nicht haben und machten sich bereits im Jahr 2005 auf, um in einem 18-monatigen Prozess eine komplett neue Organisationsform zu entwickeln. Diese ist geprägt von einem hohen Maß an Transparenz (beispielsweise sind alle Gehälter bekannt) und Mitgestaltung, denn jeder Mitarbeitender kann bei jeder bedeutsamen Entscheidung im Unternehmen mitwirken. Selbst Kündigungen funktionieren nach einem ausgeklügelten, offenen System.

Michael Botek ist einer von zwei Geschäftsführern und einer von 18 Eigentümern des österreichischen Unternehmens ITdesign. Die Firma beschäftigt inzwischen 60 Mitarbeitende, doch bis auf die beiden Geschäftsführungspositionen sind alle anderen Führungsrollen nur temporär besetzt: Als die kleine Firma wuchs und Delegationsebenen notwendig wurden, entschieden sich die Österreicher, es anders zu machen, als sie es zuvor in den Konzernen erlebt hatten, in denen sie gearbeitet hatten. Die Probleme klassischer Management-Strukturen wollten sie bei sich nicht haben und machten sich bereits im Jahr 2005 auf, um in einem 18-monatigen Prozess eine komplett neue Organisationsform zu entwickeln. Diese ist geprägt von einem hohen Maß an Transparenz (beispielsweise sind alle Gehälter bekannt) und Mitgestaltung, denn jeder Mitarbeitender kann bei jeder bedeutsamen Entscheidung im Unternehmen mitwirken. Selbst Kündigungen funktionieren nach einem ausgeklügelten, offenen System.

 

Sebastian Purps-Pardigol: Nach all dem, was ich bisher über Ihr Unternehmen gelesen und recherchiert habe, klingt es so, als gäbe es in bei Ihnen eine Art repräsentative Demokratie. Geht es in diese Richtung?

Michael Botek: Ja, das kann man so sagen. Wir haben tatsächlich bei uns fast eine Demokratie.

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Wer im Management ist, der hat immer auch Angst vor Fehlentscheidungen.

Sebastian Purps-Pardigol: Mitarbeitende dürfen bei Ihnen überall über Mittelsmänner mitbestimmen. Sie wählen jemanden, der wiederum das eigene Team repräsentiert.

Michael Botek: Ja genau, das sind normalerweise die Abteilungsleiter, diese werden von der Gruppe gewählt. Eine Besonderheit bei uns ist: Sie sind nur eine gewisse Zeit Abteilungsleiter. Nach etwa einem Jahr müssen sie wechseln, ob sie das mögen oder nicht.

Sebastian Purps-Pardigol: Abgesehen von den beiden Geschäftsführern, von denen Sie einer sind, hat also niemand in der Organisation eine feste Chefrolle?

Michael Botek: Genau, alle anderen Führungspositionen werden regelmässig und immer nur auf Zeit neu besetzt. Wobei wir Geschäftsführer auch keine Chefrolle inne haben, sondern nur das Unternehmen nach außen vertreten, wo notwendig.

Sebastian Purps-Pardigol: Im Jahr 2000 haben Sie Ihr Unternehmen gegründet, im Jahr 2007 haben Sie die Organisationsform geändert in eine Vorform von dem, wie sie heute ist. Was hat denn dazu geführt, dass Sie gesagt haben: Wir wollen das hier jetzt anders machen als vorher?

Michael Botek: Unser Unternehmen ist gewachsen. Bei unserer Gründung waren wir 18. Als wir 30 oder 32 Mitarbeiter hatten, mussten wir uns überlegen, wie das funktionieren kann. Das war ganz klar eine Notwendigkeit, denn die direkte Kommunikation hat nicht mehr funktioniert.

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Wer im Management ist, der hat immer auch Angst vor Fehlentscheidungen.

Sebastian Purps-Pardigol: Klassische Unternehmen sagen dann einfach: Wir bauen ein paar Abteilungen auf und wählen dann den Chef. Nur weil man wächst, muss man ja nicht das machen, was Sie gemacht haben. Das ist schon außergewöhnlich!

Michael Botek: Viele von uns, die damals bei der Firmengründung dabei waren, haben vorher lange in einem Konzern gearbeitet. Und wir haben das eine oder andere Mal auch unter einem nicht funktionierenden Management gelitten. Als wir damals als Folge eines Mergers ausgestiegen sind und gewagt haben, eine eigene Firma zu gründen, sind wir ein relativ hohes Risiko eingegangen. Und deswegen haben wir gesagt: Wir wollen zunächst analysieren, was bei nicht funktionierendem Management eigentlich das Problem ist. Und sind darauf gekommen: Wer im Management ist, der hat immer auch Angst vor Fehlentscheidungen, weil dadurch ja sein Job in Gefahr ist. Wenn wir sowas gewollt hätten, dann hätten wir bei dem Konzern bleiben können. Wir haben normale Hierarchien als Fehler erkannt – und wir haben versucht, diesen nicht zu wiederholen.

Sebastian Purps-Pardigol: Von den 18 Gesellschaftern sind heute also zwei in der festen Geschäftsführung, und 16 sind irgendwo anders in der Organisation – die einen in einer Chefrolle, die anderen sind einfache Angestellte?

Michael Botek: Ja, an 364 Tagen im Jahr sind wir einfache Angestellte. Aber einmal im Jahr, zum Zeitpunkt der Gesellschaftertreffen, zum Geschäftsjahresende, sind wir Gesellschafter. Die mitarbeitenden Gesellschafter können sogar gekündigt werden, es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen und den übrigen Mitarbeitern.

Sebastian Purps-Pardigol: Wie wird man zum Chef? Welche Verpflichtungen hat man als Chef? Und wie verändert sich das im Laufe der Zeit?

Michael Botek: Da muss ich kurz ausholen. Wir haben in den ersten zehn Jahren vieles gelernt. Zuerst haben wir versucht, in Erfahrung zu bringen, ob es andere Unternehmen gibt, die ähnliche Organisationsformen praktizieren. Damals war unsere Recherche aber negativ. Darum haben wir uns hingesetzt und unsere Organisationsform selbst designt. Was herausgekommen ist, ist eigentlich recht einfach: Wir versuchen, uns in der Namensgebung zu unterscheiden. Wir nennen eine Abteilung bewusst nicht „Abteilung“. So wollen wir die Leute zum Nachdenken darüber zwingen, dass es bei uns irgendwie anders ist. Wir haben also abteilungsähnliche Konstrukte, und der Leiter wird aus der Gruppe heraus einmal im Jahr gewählt. Im Jahr darauf kann er nicht wiedergewählt werden. Diese Schranke haben wir eingebaut, damit niemand sagen kann: „Du kannst das gut, mach das doch einfach weiter.“ Die „Abteilungsleiter“ bleiben also im Business. Wir denken sehr viel in Rollen – nicht in Funktionen. Ich glaube, das muss man sich bewusst machen, um unser Unternehmen zu verstehen. Eine Rolle, das ist in Wahrheit etwas, das jeder kennt, der im Business ist: Ich bin in einem Projekt und dort habe ich eine Rolle. Dann bin ich noch in einem zweiten Aufgabenbereich, und da habe ich auch eine Rolle. Alle „Abteilungsleiter“ miteinander bilden die erweiterte Geschäftsleitung. Dieser erweiterten Geschäftsleitung gehören nur zwei Personen permanent an, nämlich wir beiden Geschäftsführer. Das hat aber nichts mit Hierarchie zu tun, sondern mit Haftung. Wenn wir Geschäftsführer sagen: „Mit diesem oder jenem Problem habe ich nichts zu tun“, dann wird der Richter sagen: „So funktioniert das nicht, Herr Botek!“ Deswegen haben wir in der Geschäftsleitung so etwas wie ein Veto-Recht. Selbst wenn sich eine ganze Gruppe in unserem Unternehmen einig ist, dass sie eine Tiefgarage kaufen möchte, dann darf ich mein Veto einlegen. Bisher war das aber nicht nötig.

Die neuen Home-LANs entstehen

Sebastian Purps-Pardigol: Wieviele Abteilungsleiter gibt es denn als Teil der erweiterten Geschäftsleitung?

Michael Botek: Im Moment gibt es sechs Abteilungen, die jeweils ein bis zwei Personen entsenden.

Sebastian Purps-Pardigol: Wie oft wechseln die Sprecher?

Michael Botek: Alle acht bis 14 Monate.

Sebastian Purps-Pardigol: Was kann so ein Sprecher in der Geschäftsleitung auf Zeit entscheiden?

Michael Botek: Alles, was nur eine Abteilung betrifft, wird ausschließlich innerhalb dieser Abteilung entschieden.  Alles andere entscheiden wir dann in der erweiterten Geschäftsleitung. Es gibt nichts, was die beiden Geschäftsführer alleine entscheiden würden.

Sebastian Purps-Pardigol: Wie groß sind die Abteilungen?

Michael Botek: Eine Gruppe besteht aus mindestens vier und maximal zwölf Personen. 

Sebastian Purps-Pardigol: Wie heißen die Abteilungen in Ihrem Unternehmen, wenn Sie den Begriff „Abteilung“ nicht nutzen?

Michael Botek: Sie heißen LAN, das steht für „Local Area Network“. Das hat damit zu tun, dass wir eine Technikfirma sind. LAN bedeutete ja früher: Netzwerk innerhalb einer Firma. Deswegen nennen wir alle diese Gruppen LANs. Jeder muss einem Home-LAN angehören. Es gibt das Security-Home-LAN, das Betriebs-Home-LAN, das Development-Home-LAN. Im Sprachgebrauch lassen wir das „Home“ dann aber weg.

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Es gibt nichts, was die beiden Geschäftsführer alleine entscheiden würden.

Sebastian Purps-Pardigol: Warum war es Ihnen so wichtig, den Begriff Abteilung nicht mehr zu verwenden?

Michael Botek: Wenn man das Wort „Abteilung“ verwendet, dann assoziiert man damit einen Abteilungsleiter. Bei uns heißen die Abteilungsleiter „Sprecher“. Das ist etwas anderes. Wenn Leute neu ins Unternehmen kommen, dann muss es gelingen, sich auf das System einzulassen. Und wie man weiß, sind Namen dabei wesentlich.

Sebastian Purps-Pardigol: Darf jedes Home-LAN zwei Sprecher wählen oder muss es zwei Sprecher wählen?

Michael Botek: Es gibt LANs, die schicken nur einen. Dann hat dieses LAN aber eben nur eine Stimme, das ist klar.

Sebastian Purps-Pardigol: Aber warum sollte ein Home-LAN nur einen Sprecher schicken, wenn zwei Sprecher sein Interesse doch wahrscheinlich besser durchsetzen könnten?

Michael Botek: Das kann viele Gründe haben. Der erste ist: Die Idee, mit zwei Stimmen mehr durchsetzen zu können, stammt noch aus der alten Welt. Ich will ja nicht meine Interessen durchsetzen, sondern ich will etwas Sinnvolles tun. 80 Prozent unserer Entscheidungen fallen einstimmig. Und so sieht ein Entscheidungsprozess aus: Jeder im Unternehmen kann jederzeit Dinge, die Home-LAN-übergreifend sind, als Punkt in die erweiterte Geschäftsleitung einbringen. Wenn ich sage: Die Car-Policy ist ungerecht, dann kann ich meinen Wunsch einbringen, dass sich das verändern soll. Das Koordinations-LAN – oder kurz: K-LAN -, ist bei uns die erweiterte Geschäftsführung. Dort wird entschieden, was damit getan wird. Wenn einer mit einem Anliegen kommt, dann sagt das K-LAN: „Lasst uns eine Taskforce gründen, um ein besseres System auszuarbeiten.“ Dieses wird ausgearbeitet und dem K-LAN als Vorschlag vorgelegt. Dann gehen die Home-LAN-Sprecher – also diejenigen, die das Home-LAN im K-LAN repräsentieren – mit diesem Vorschlag zurück in ihre Gruppe. Dort kann jeder seine Gedanken einbringen. Jeder kann sagen: „Dieser Punkt geht gar nicht“, und er kann Änderungen einbringen. Was soviel heißt wie: Das Unternehmen beschäftigt sich mit anstehenden Entscheidungen bereits in der Entscheidungsfindungsphase.

Sebastian Purps-Pardigol: Muss jeder einzelne aus dem LAN der Entscheidung zustimmen?

Michael Botek: Das ist nicht unser Problem, denn das macht das LAN unter sich aus. Der Sprecher kommt mit einer Meinung zu uns zurück – das ist das, was klar ist.

Die beiden Geschäftsführer treffen alle wichtigen Entscheidungen nur mit den zeitlich gewählten Repräsentanten der LANs.

Sebastian Purps-Pardigol: Wenn in einer Abteilung mit sechs Personen fünf Personen Ja sagen, nur eine Person sagt Nein: Was repräsentiert denn dann der Sprecher?

Michael Botek: Wenn das Home-LAN sagt, sie wollen ein einstimmiges Votum abgeben, dann müssen sie das tun. Wenn das Home-LAN sagt: Der Sprecher soll das alleine entscheiden, dann kann er das ganz alleine entscheiden. Warum sollte ich von außen vorgeben, wie die Entscheidungsfindung im LAN passiert? Das geht mich ja gar nichts an!

Sebastian Purps-Pardigol: Sie haben also keine Regeln. Das einzige, das Sie brauchen, ist also eine Entscheidung von dem Sprecher. Wie der Sprecher aber mit dem LAN umgeht, das machen die Mitarbeiter dann untereinander aus?

Michael Botek: Genau. Wobei: Es ist nicht so, dass wir keine Regeln haben. Aber nur solche, die das Miteinander regeln. Wie ist der Ablauf bei Krankmeldungen im K-LAN? Wenn wir zu wenige sind, dürfen keine Entscheidungen getroffen werden. Wir haben gesagt: Es muss ein Geschäftsführer anwesend sein und drei Personen. Das eigentlich Wesentliche aber sind unsere Werte, die wir uns erarbeitet haben. Wenn es die nicht gäbe, dann würde das System nicht funktionieren.

Sebastian Purps-Pardigol: Was sind das für Werte?

Michael Botek: Unsere Werte regeln zum Beispiel, wie wir uns Kunden gegenüber verhalten. Sie regeln aber auch die interne Zusammenarbeit, wie wir uns zueinander verhalten. Zum Beispiel gibt es den Wert: „Wir sind verlässlich und termintreu. Wir halten Kalenderdisziplin und wir helfen dem Kollegen, wenn dieser sich schwertut mit Termintreue. Man muss sich darauf verlassen können, dass alle ihre Kalender so führen, dass jeder mit den eingepflegten Daten arbeiten kann.

Sebastian Purps-Pardigol: Welche Fragen werden ausschließlich im Home-LAN entschieden?

Michael Botek: Fragen wie: Wer geht auf welches Training? Wie oft pro Woche setzt sich die Gruppe zusammen? Das macht jedes Home-LAN unter sich aus. Alle Fragen, die mehrere Home-LANs betreffen, wie etwa: Machen wir den 24. Dezember frei oder nicht? Das kann nicht ein Home-LAN entscheiden, denn das betrifft alle und geht ins K-LAN.

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Wenn wir keine geeignete Organisationsform haben, dann müssen wir uns eben eine bauen.

Sebastian Purps-Pardigol: Als Sie im Jahr 2007 den Kulturwandel begonnen haben, wie lange haben Sie damals gebraucht, um eine Organisationsform für sich klarzuhaben? Und wer hat diese damals erarbeitet?

Michael Botek: Alle, die wollten, konnten damals daran mitdenken. Es gab zuerst einen Leitbild-Prozess. Und dabei sind wir darauf gekommen: „Puh, jetzt wird es wirklich Zeit für das Thema Organisation.“ Eine Erkenntnis aus dem Leitbildprozess war: „Okay, wenn wir keine geeignete Organisationsform haben, dann müssen wir uns eben eine bauen.“ Wir haben dann anderthalb Jahre an der neuen Organisation gearbeitet.

Sebastian Purps-Pardigol: Und danach haben Sie den Schalter einfach umgelegt? Haben Sie alle Mitarbeitenden zusammengerufen und ihnen gesagt: “Hier ist das Ergebnis, so werden wir ab übermorgen arbeiten?“

Michael Botek: Das lief so ab: Alle Mitarbeiter treffen sich mindestens einmal im Jahr auswärts, in einer Art Klausur. Während einer solchen Klausurtagung ist das Ergebnis der Taskforce präsentiert worden. Danach konnten Fragen gestellt werden, in Workshops. Und dann haben wir gesagt: „Ab dem 1. April werden wir diese Organisationsform leben.“

Sebastian Purps-Pardigol: Wie lang war denn der Zeitraum zwischen Kommunizieren und Umsetzen?

Michael Botek: Zwischen ein und zweit Monate.

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Die neue Organisationsform wurde innerhalb von zwei Monaten Realität.

Sebastian Purps-Pardigol: Waren die Abteilungen damals so besetzt, dass man nur die Rollen neu besetzen musste? Oder konnte sich jeder innerhalb der neuen Organisationsform neu bewerben?

Michael Botek: Das wäre in Funktionen gedacht. Wir haben gesagt: „Ab dem 1. April gibt es einen Sprecher.“ Und wir haben eine Meeting-Struktur für das K-LAN definiert. Dann gab es das erste Meeting – und es hat funktioniert!

Sebastian Purps-Pardigol: Es gab also die gleiche Anzahl von Abteilungen vorher und nachher?

Michael Botek: Ja, zu dem Zeitpunkt haben wir keine weiteren Umstrukturierungen gemacht.

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Die neue Organisationsform wurde innerhalb von zwei Monaten Realität.

Sebastian Purps-Pardigol: Hatten die Abteilungen denn vorher Abteilungsleiter?

Michael Botek: Vorher gab es noch keine. Erst als die Gruppe von 18 Mitarbeitern auf 30 angewachsen ist, haben wir uns gesagt: „Das ist blöd, jetzt brauchen wir eine erste Entscheidungsebene.“ Natürlich hatten wir die Gruppen schnell beisammen: Das waren logischerweise diejenigen, die vorher schon zusammengehört hatten.

Bis zu zwei gewählte Sprecher pro Home-LAN werden zeitlich begrenzt Teil der erweiterten Geschäftsführung. 

Sebastian Purps-Pardigol: Sie hatten also nicht das Problem, dass Sie Menschen in Führungspositionen quasi entmachten mussten?

Michael Botek: Das stimmt. Das haben wir uns erspart.

Sebastian Purps-Pardigol: Gab es Dinge, die Sie ursprünglich mal geplant, dann aber verworfen haben?

Michael Botek: Anfangs hatten wir gedacht, dass die Promotion von Mitarbeitern eine Entscheidung ist, die nur das K-LAN treffen kann. Später aber sind wir darauf gekommen, dass das aus menschlichen Gründen nicht geht. Also hat das K-LAN die Aufgabe den Geschäftsführern zugewiesen.

Sebastian Purps-Pardigol: Wohin wird man denn befördert, wenn es keine Führungspositionen mehr gibt?

Michael Botek: Man wird nicht befördert. Man wechselt von einem Joblevel in den nächsten.

Sebastian Purps-Pardigol: Und wo ist der Unterschied zwischen einem Wechsel des Joblevels und einer Beförderung?

Michael Botek: Wir haben sehr genau definiert, wie man vom Systemspezialisten zum Consultant und dann ins nächste Level, zum Senior-Consultant kommt – also was man dafür können sollte. Man muss 70 Prozent vom nächsten Joblevel bereits erfüllen, bevor man die Phase dazwischen startet. Damit wollen wir verhindern, dass jemand irgendwann nicht mehr leisten kann, was gefordert wird.

Bis zu zwei gewählte Sprecher pro Home-LAN werden zeitlich begrenzt Teil der erweiterten Geschäftsführung. 

Sebastian Purps-Pardigol: Wem gegenüber muss man denn zeigen, dass man 70 Prozent kann?

Michael Botek: Einer der beiden Geschäftsführer muss davon in Kenntnis gesetzt werden. Dieser hat die Aufgabe, die Aussage zu prüfen. Wenn er und der Mitarbeiter ein menschliches Problem miteinander haben, dann ist der zweite Geschäftsführer – das kann von Fall zu Fall wechseln – eine Art Mediator oder Schlichtungsstelle.

Sebastian Purps-Pardigol: Sie haben die Joblevel sehr klar definiert und auch, wie man in welches Level kommt. Wie ist es mit dem Verdienst – bekommen Mitarbeitende, die in der gleichen Rolle sind immer das gleiche?

Michael Botek: Die Gehälter wurden während der Umstrukturierung im Jahr 2007 offengelegt. Innerhalb der einzelnen Funktionsgruppen haben wir drei Stufen: Trainee, Standard und Professional. Im Consulting etwa gibt es eine Einstiegsstufe, eine Medium-Stufe und eine Premium-Stufe. Und man kann immer nur zum nächsten Level wechseln.

Sebastian Purps-Pardigol: Wenn zwei Menschen in der gleichen Stufe sind und das Gleiche tun, dann verdienen sie also grundsätzlich exakt das Gleiche?

Michael Botek: Es gibt eine Unschärfe, die wir erhalten müssen. Es gibt in Österreich eine Regel, die festlegt, mit wie vielen Dienstjahren man wieviel mindestens verdienen muss. Das müssen wir als gesetzlicher Arbeitgeber abbilden. Wenn also jemand aus so einem Kollektivvertrag heraus ein paar Cent mehr verdienen muss, dann korrigieren wir das im nächsten Geschäftsjahr.

Sebastian Purps-Pardigol: Und wie ist das mit der Car-Policy? Bekommen Ihre Mitarbeiter ihr Auto je nach der Stufe, die die Car-Policy vorgibt?

Michael Botek: Unsere Mitarbeiter können sich ihr Auto selbst aussuchen. Vorgegeben ist nur, wieviel sie dafür zahlen müssen.

Sebastian Purps-Pardigol: Ich habe gelesen, dass Kündigungen auch nur durch die Geschäftsführung ausgesprochen werden?

Michael Botek: Ja, das haben wir dahin delegiert. Denn wir haben gesagt: Wenn mit acht Personen darüber entschieden werden soll, ob einer Person gekündigt wird, dann wird das vermutlich zwei bis drei Wochen in der Gruppe diskutiert. Aber viele Mitarbeiter sind doch miteinander befreundet, auch privat. Und sie wissen, dass jemandem gekündigt werden soll, dürfen ihm aber nichts sagen. Das ist menschlich nicht machbar.

Sebastian Purps-Pardigol: Wie genau läuft denn eine Kündigung ab?

Michael Botek: Das ist sehr klar durch dekliniert, und da sind wir auch ein bisschen stolz drauf. Wir nennen das System: Gelbe Karte. Wenn ein Mitarbeiter seine Arbeit nicht zufriedenstellend tut, dann ist es die Aufgabe der Geschäftsleitung, ihm eine Gelbe Karte auszusprechen. Die Aufforderung an einen der beiden Geschäftsführer kommt aus der Gruppe. Dabei hat sich gezeigt: Oft weiß der Mitarbeiter gar nicht, dass die anderen unzufrieden sind. Durch das Aussprechen der Gelben Karte wird ihm aber signalisiert: Es gibt ein Problem. Damit schafft man Einigkeit. Dann definiert die Geschäftsleitung mit der Person einen Reaktionsplan, der alles enthält, was sich innerhalb des nächsten Jahres ändern muss. Ist das erfolgreich, steckt man die Gelbe Karte wieder ein. Wenn nicht, muss der Mitarbeiter gehen.

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Die Gehälter aller Mitarbeitenden sind offengelegt.

Sebastian Purps-Pardigol: Nur mal angenommen, acht Personen sind in einem Team. Wieviele müssen sich denn dann untereinander einig sein, damit eine Gelbe Karte ausgesprochen werden kann?

Michael Botek: Das ist gar nicht an die Personenzahl gebunden. Einer sagt dem Geschäftsführer: „Bei diesem Kollegen müssen wir mit der Gelben Karte arbeiten.“ Dann wird der Geschäftsführer ihn sinnvollerweise fragen: „Wie meinst du das? Und warum?“ Dann muss er das gut argumentieren. Denn wenn die Recherche ergibt, dass das nicht stimmt, und der anzeigende Mitarbeiter vielleicht selbst ein Problem hat, dann fällt das auf ihn selbst zurück.

Sebastian Purps-Pardigol: Wie oft mussten Sie in den vergangenen Jahren Menschen aufgrund einer Gelben Karte entlassen?

Michael Botek: Zweimal.

Sebastian Purps-Pardigol: Und wie oft gab es eine Gelbe Karte, die später wieder eingesteckt wurde?

Michael Botek: Einmal. Diese Karte betraf übrigens einen Gesellschafter.

Sebastian Purps-Pardigol: Welches waren die wichtigsten Entscheidungen, die Sie in der erweiterten Geschäftsleitung getroffen haben?

Michael Botek: Die Car-Policy war immer ein heißes Eisen. Darüber hinaus haben wir diskutiert, ob es Sinn mache, an diesem Standort zu bleiben oder zu wechseln. Auch die Gehaltsstufen haben wir gemeinsam definiert: Wir haben quasi selbst ausgemacht, was wir verdienen wollen.

Sebastian Purps-Pardigol: Was hat sich konkret durch die neue Organisationsform verändert?

Michael Botek: Was mit Sicherheit weg ist, das ist das Schimpfen über die Firma – als abstraktes Feindbild, das man nur verwendet, damit es eins gibt. Weil wir wissen, dass wir die Firma sind. Auch die Abteilungsleiter werden mit ganz anderen Augen betrachtet, weil: Es ist ja jeder mal dran. Was sich dabei gezeigt hat: Leute, die einmal in der erweiterten Geschäftsleitung waren, sind nicht als dieselben Leute zurückgegangen. Zu erleben, was es in einem Unternehmen alles zu entscheiden gibt, dann ist das für einen Mitarbeiter eine enorm wertvolle Erfahrung. Ein weiterer Vorteil des Systems ist: Es gibt keine Gerüchte, im Sinne von: „Der verdient bestimmt mehr oder weniger als ich.“ Weil: Es kann ja jeder alles nachlesen. Zudem: Es werden 40 Prozent vom Unternehmensgewinn an alle Mitarbeiter ausgeschüttet.

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Sprecher, die einmal in der erweiterten Geschäftsleitung waren, kehren danach als andere Menschen zurück – sie haben enorm wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Sebastian Purps-Pardigol: Bekommt dabei jeder Mitarbeitende den gleichen Anteil?

Michael Botek: Der Anteil ist vom Gehalt abhängig. Das K-LAN hat das entschieden – was mir persönlich zwar nicht gefällt, aber es ist so. Mein Gedanke wäre eher: Alle haben sich das ganze Jahr über bemüht, darum bekommen alle dasselbe. Aber die Mehrheit hat anders entschieden.

Sebastian Purps-Pardigol: Gab es Mitarbeitende, die das System komisch fanden? Vielleicht sogar solche, die aus diesem Grund gegangen sind?

Michael Botek: Ja, zu Beginn war das so. Es gibt einfach Mitarbeiter, die – böse formuliert – aus Faulheit einen Chef brauchen. Die wollen unser System nicht und gehen dann auch. Was aber gut ist! Die Leute, die sich einlassen, die bleiben meistens auch länger da. Alle Consultants, die die Firma gegründet haben sind noch an Bord. Und die Leute, die neu zu uns kommen, die finden das System super.

Sebastian Purps-Pardigol: Gibt es auch Kritik aus Ihrer Belegschaft?

Michael Botek: Es gibt ein paar Leute, die finden, dass der demokratische Entscheidungsweg bei uns sehr lang ist. Das will ich ins rechte Licht rücken. In einem hierarchisch geführten Unternehmen überlegt sich ein Geschäftsführer etwas, das dann nach unten getragen werden muss – durchaus mit der einen oder anderen Veränderung, oder auch mit Unverständnis. Der Implementierungsprozess dauert also lange. Bei uns muss nichts kommuniziert werden, denn alle wissen ja schon davon. Die Implementierung einer Entscheidung dauert bei uns von Freitag bis Montag.

Sebastian Purps-Pardigol: Was zum Beispiel wurde denn bei Ihnen entschieden und sofort umgesetzt?

Michael Botek: Einmal im Monat trifft sich unser Unternehmen zu einem Update. Das ist unser „FMM“, das „Friday-Morning-Meeting“. Dort werden unter anderem die Entscheidungen des K-LANs kommuniziert. Damit weiß jeder: „Ab Montag gilt es!“ Bei dem Meeting wird zum Beispiel gesagt: „Wer am Montag ein Auto bestellt, bestellt es nach der neuen Car-Policy.“ Eine Neuregelung gilt, sobald sie im Protokoll vom FMM steht. Dann kann jeder sie nachlesen.

Sebastian Purps-Pardigol: Ein großer Vorteil Ihres Systems ist ja, dass jeder weiß, dass er es selbst in der Hand hat. Denn er bekommt ständig vorgeführt: Was dich stört, das musst du selbst ändern.

Michael Botek: Der Mensch lernt ja von Kindheit an: Es gibt immer jemanden, den man fragen muss, ob man etwas darf. Das umzustellen, so dass nicht Erlaubnis sondern Werte die Basis des Handels sind, das ist manchmal schwierig. Es gibt ja keinen Gott, der sagt: „So ist das jetzt.“ Das ist ein Vorteil und Nachteil zugleich.

Sebastian Purps-Pardigol: Gibt es Themen, die Sie unbedingt noch angehen wollen?

Michael Botek: Wenn ich nochmal von vorn anfangen würde, dann würde ich als Aktiengesellschaft starten. Weil das dadurch leichter ist, die Anteile zu verschieben. Und das Zweite ist: Wir mögen uns alle zu sehr. Das macht das Ausdiskutieren von Streitfällen oft schwer – speziell dann, wenn sie fundamental sind. Ich sage immer: „Wir haben uns alle zu lieb.“

Sebastian Purps-Pardigol: Sie brauchen also eine bessere Streitkultur, weil manche Dinge nicht gesagt werden, die gesagt werden müssten?

Michael Botek: Wir tragen unsere Konflikte zu selten aus, das ist der Punkt. Wir brauchen eine bessere Feedback-Kultur.

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Wir müssen noch unsere Feedback-Kultur verbessern!